Vor etlichen Monaten, im August 2018, erhielt ich eine Mail von Ulrich D. aus Bonn. Im Herbst 2017 hatten er und seine Frau Urlaub in Schneeberg gemacht und auch Schwarzenberg besucht. Ich fand Herrn D.s Sicht auf Schwarzenberg und das Erzgebirge so spannend, dass ich ihn fragte, ob ich die Mail im Blog veröffentlichen darf. Ja, ich durfte. Dann allerdings raste die Zeit und ich kam nicht dazu, diesen etwas anderen Blogeintrag zu verfassen. Jetzt klappt es endlich, hier ist unser kleiner Mailwechsel.
9. August 2018
Glückauf liebe Frau Groh,
ich bin ein Leser Ihres Schwarzenberg-Blogs, genauer gesagt: ich bin es seit Oktober 2017, weil meine Frau und ich da nämlich 2 Wochen Urlaub im Erzgebirge (Schneeberg) gemacht haben und da natürlich auch das eine oder andere Mal in Schwarzenberg waren.
Ein hübsches, gepflegtes und sehr abwechslungsreiches Städtchen, an das wir gerne zurückdenken. Leider mitunter ein bißchen menschenleer wirkend, aber das haben wir häufiger im Erzgebirge beobachtet. Würde Schwarzenberg hier in der Gegend liegen, wäre es ein Besuchermagnet. Dann hätten Sie allerdings das andere Extrem: Horden von Bustouristen und eine miese Freßbude neben der anderen. Man merkt eben doch, daß viele Menschen nach der Wende wohl weggegangen sind. Wir waren in einem Schwarzenberger Einkaufszentrum, und es wirkte stellenweise wie leergefegt. Dennoch: wir sind auch immer wieder jungen Erzgebirgern begegnet, die nach Jahren in der Fremde (durchweg im Westen) wieder zurückgekehrt sind: „Derham is derham“ haben wir wirklich oft gehört.
Deshalb nur mal eine kurze Rückmeldung, denn wenn man eine Internetseite betreibt, einen Blog schreibt, dann schreibt man ja so ein bißchen „ins Leere“ hinein. Die Klickzahlen kennt man vielleicht, aber man weiß ja erst dann, ob und wie die Arbeit angenommen wird, wenn man mal Rückmeldungen und Kommentare bekommt. Ich schaue bei Ihnen immer mal wieder gerne rein. Gut, manche Themen sind natürlich in erster Linie für Einheimische bestimmt, aber alleine schon die vielen schönen Photos sind immer wieder eine Freude.
Übrigens hat das Erzgebirge im Herbst seinen ganz besonderen Reiz. Sicher, der Winter im Schnee ist romantisch – aber eben auch einförmig: alles sieht eben gleich und weiß aus. Der Herbst kommt bei Ihnen 2 oder 3 Wochen früher als hier im Rheinland – und so hatten wir die wunderschönen Farben ganz alleine für uns – denn im Oktober ist Ihre Heimat auch nicht so überlaufen. Das wiederum hatte den Vorteil, daß (Sie sehen als Lektorin, daß dieser Buchstabe bei mir noch eine Heimstatt besitzt) man auch mit vielen Leuten ins Gespräch kommen konnte, was bei Touristenmassen schwerer möglich gewesen wäre. So unterhielten wir uns länger mit einem Herrn am Eingang vom Schloßmuseum. Ich habe seinen Namen nicht mehr präsent, aber er macht – als Eisenbahner gekleidet – auch Stadtführungen. Sie werden ihn vermutlich kennen. Toll, was der Mann alles wußte und worauf er uns noch hinwies. Oder das Eisenbahnmuseum, wo wir ganz alleine waren, ebenso die Schloßkirche, die wir für uns hatten.
Und dann noch der beste Baumkuchen, den wir kennen: am „Tag des offenen Handwerks“ sind wir einfach mal bei der Bäckerei Weißbach in der Alten Annaberger Straße vorbeigefahren, wo wir fast wie Familienangehörige aufgenommen wurden. Ganz reizende Leute, sehr gastfreundlich und – wie gesagt: toller Baumkuchen. Ich hatte bis zu diesem Tag keine Ahnung, wieviel Arbeit in einem solchen Gebäck steckt. Ohnehin: Sie haben hervorragende Bäckereien im Erzgebirge. Hier bei uns gibt es fast nur Industriefraß, im Bonner Norden existiert z. B. nur noch eine einzige echte Bäckerei.
So, und wenn ich nun Ihre Website aufrufe, dann kommen für uns eben auch all diese schönen Erinnerungen zurück und dafür meinen herzlichen Dank!
Schönen Gruß,
Ulrich D.
13. August 2018
Lieber Herr D.,
vielen Dank für Ihre Mail. Sie haben recht, mit dem Blog schreibe ich wirklich ein wenig ins Leere, von wem es gelesen wird, bekomme ich eher zufällig mit, mal durch Mails wie Ihre, mal bei persönlichen Begegnungen. Seit Facebook und Co. in gewissem Maße die Blogs abgelöst haben, wird auch deutlich weniger kommentiert, wenn überhaupt. Diese direkten Reaktionen auf Artikel fand ich gut, und das ist ein Grund, warum ich fürs Schwarzenberg- Blog seit 2014 zusätzlich eine Seite bei Facebook habe.
Ihre Sicht von außen auf die Stadt bzw. aufs Erzgebirge ist für mich natürlich spannend und ich freue mich zu lesen, dass Ihnen Ihr Urlaub hier so gefallen hat. Bustouristen kommen auch nach Schwarzenberg, aber nicht in Massen, und sie laufen eher nur durch die Altstadt und sind schnell wieder weg. Die Altstadt ist mal leerer und mal voller, das kommt aufs Wetter, auf den Wochentag, auf die Jahreszeit und vieles andere an, aber unterm Strich ist hier auf den Straßen meist nicht so viel los, da haben Sie recht. Früher fand ich das nicht so gut, mittlerweile bin ich manchmal ganz dankbar drum, unter anderem, weil es so entspannter ist. Wenn es einem mal zu ruhig wird, hat man es nicht weit zur nächsten größeren Stadt, ob nun Chemnitz, Dresden, Leipzig, Prag, die Auswahl ist nicht schlecht …
Ihr Eindruck von Schwarzenberg und dem Erzgebirge wäre sicher auch für andere interessant, könnten Sie sich vorstellen, dass ich Ihre Mail als Artikel im Schwarzenberg-Blog veröffentliche? Falls Sie das nicht wollen, dann ist das auch in Ordnung, fühlen Sie sich bitte nicht dazu gedrängt. Ich finde es einfach schön fürs Blog, wenn es immer mal Gastbeiträge, Stimmen von anderen gibt.
Damit bedanke ich mich nochmals sehr für Ihre Mail und grüße herzlich aus Schwarzenberg
Andrea Groh
14. August 2018
Liebe Frau Groh,
aber natürlich dürfen Sie das. Vielleicht noch eine kleine Ergänzung zu dem Gesagten. Wir haben uns in diesen Wochen auch wirklich bemüht, mit Einheimischen in Berührung zu kommen – und das ging problemlos. Die Mentalität ist eine andere als im Rheinland: der Rheinländer ist durchaus offen, schon fast distanzlos, auch schnell mit dem Duzen und dabei bis zur Geschwätzigkeit kommunikativ: im rheinischen Jargon nennt man so jemanden einen „Schwaadlappen“, was mit „Schwätzer“ noch sehr freundlich umschrieben ist. Allerdings geht das nicht unbedingt sehr tief.
Im Erzgebirge haben wir es etwas anders erlebt: die Leute waren erst etwas distanziert, eher abwartend und nicht so redselig, dabei aber durchaus höflich und auch freundlich. Nach einer Weile, wenn sie merkten, daß da nicht ein „arrogantes Arschloch“ oder ein „Besserwessi“ vor ihnen stand, war der „Bann“ gebrochen (wenn es ihn denn je gab). Ich glaube, daß die meisten Leute es durchaus schätzten, wenn sie sahen, daß wir uns genuin
für die erzgebirgische Kultur interessierten und nicht nur „Touris“ waren, die irgendwelche Sehenswürdigkeiten abhakten oder über die Qualität des Frühstücks meckerten. Denn dann kamen sofort die Hinweise, was wir uns noch anschauen sollten: ein bestimmtes Museum, die Bücher von Gotthard Schicker, ein Bergwerk oder ein Pochwerk, die Lieder von Anton Günther, eine Brauerei („Kennen Sie schon das Zwönitzer“?) oder „Sie müssen mal den Schieböcker Käse probieren“. Solchen Hinweisen verdanken wir auch einige unserer nettesten Begegnungen: so zum Beispiel mit den „Schnitzfreunden“ in Schlettau, die uns zufällig „Hereingeschneiten“ sofort eine Führung gaben durch ihr gemütliches „Schnitzheim“ (unmittelbar neben dem Schlettauer Schloß).
Was ganz bestimmt anders ist als bei uns im Rheinland: die Erzgebirger scheinen keine Nachtmenschen zu sein. Wir hatten oft den Eindruck, daß da im doppelten Sinne abends „die Rolläden runtergingen“. Man fuhr durch Orte, die wie evakuiert wirkten. Häuser, die im Dunkeln lagen, und das obwohl sie augenscheinlich bewohnt waren, denn vor der Tür standen ja Autos. Als meine Frau und ich in einem wirklich schönen Restaurant einen Tisch reservieren wollten, fragte man uns, wann wir denn kommen wollten. Als ich meinte, „so kurz vor 20 Uhr“, kam die Antwort: „Ginge das bei Ihnen vieleicht auch etwas früher? Denn so gegen 8 machen wir langsam Schluß.“ Sagen Sie das mal einem Kölner, Bonner oder Aachener – der läuft sich um die Uhrzeit doch erst richtig warm …
Vielleicht hat das etwas mit der Historie zu tun, daß man im Erzgebirge traditionell eher in den eigenen vier Wänden in Hutzenstuben zusammenhockte, vielleicht hat es auch mit der protestantischen Arbeitsethik zu tun … die Arbeitsethik ist im frivol-katholischen Rheinland auch etwas anders. Und apropos „protestantisch“ … wir hatten auch den Eindruck, daß der Protestantismus (in seiner lutherischen Ausprägung) im Erzgebirge auch noch stärker verankert ist als in in allen Landesteilen, die ich bisher besucht habe.
Besonders bleiben uns drei Dinge in guter Erinnerung. Schätzen Sie sich glücklich, daß Sie ein so tolles Theater haben wie das Winterstein-Theater in Annaberg. Dann: die Bergbaukultur ist im Erzgebirge nicht nur das Steckenpferd ehemaliger Bergleute, sondern wirkliche Volkskultur. Und damit eng zusammenhängend: wir haben (außer vielleicht in Bayern) noch nie Menschen getroffen, die eine derartige Heimatverbundenheit und einen solchen Stolz auf ihr Land ausstrahlen.
Übrigens: so ein bißchen Erzgebirge haben wir auch jeden Tag, denn bei uns kommt fast täglich Brot aus dem Erzgebirge auf den Tisch – von unserer „Lieblingsbäckerei“ Rene Kinder aus Schneeberg. Da kann jedes Aldibrot sich nur schamhaft im Backautomaten verstecken …
Schönen Gruß,
Ulrich D.
20. Dezember 2018
Lieber Herr D.,
ich habe Ihre Mails nicht vergessen und möchte sie nach wie vor im Blog veröffentlichen, ich hoffe, ich komme demnächst dazu …
Ich wünsche Ihnen ein schönes Fest, entspannte Zwischentage und ein gutes neues Jahr.
Viele Grüße aus Schwarzenberg
Andrea Groh
20. Dezember 2018
Liebe Frau Groh,
das ist aber lieb – mit Ihrer Mail hatte ich jetzt gar nicht gerechnet. Ich habe mir einige Erzgebirgs-Seiten als Lesezeichen abgespeichert und schaue immer mal rein, wenn es die Zeit erlaubt – darunter natürlich auch in Ihren Blog. Ist doch toll, was man aus so einer kleinen Stadt doch alles herausholen kann – und wir erkennen natürlich so manche Ecke wieder. Und jetzt habe ich auch Ihre Facebook-Seite entdeckt.
Leider habe ich vor einigen Tagen lesen müssen, daß mit Markus Beyer ein prominenter Schwarzenberger gestorben ist, und das nach unserem menschlichen Maßstab viel zu früh. Er kam immer als netter, fairer und bescheidener Kerl rüber. Ich hatte seit seiner aktiven Zeit im Kopf „Markus Beyer aus Erlabrtunn“. Und als wir damals durch Erlabrunn fuhren, sagte ich meiner Frau: „Hier kommmt doch der Markus Beyer her“ (okay, sie hatte natürlich gar keine Ahnung, von wem ich sprach). Und wie der Zufall es wollte: ein paar Tage später begegnete ich ihm in einem Schwarzenberger Einkaufszentrum und habe ein paar Worte mit ihm gewechselt: total freundlich und ohne jede Starallüren, eher sogar ein bißchen schüchtern. Warum passieren guten Menschen schlimme Dinge? Ich glaube, Anfang Januar gibt es bei Ihnen im Ort eine Trauerfeier.
Das Erzgebirge wird uns auch diese Weihnachten nicht loslassen: es gibt erzgebirgische Wurst aus Amtsberg und dazu Brot und Stollen von unserer Lieblingsbäckerei aus Schneeberg. Dazu ein Paar richtig schöne Sportschuhe für meine Frau aus Schönheide (von Raas) und natürlich wie letztes Jahr einen erzgebirgischen Wandkalender. Auf den wirklich tollen Baumkuchen von Weißbach in Schwarzenberg verzichten wir zwar aus Gewichtsgründen zu Weihnachten, aber das ist nur aufgeschoben: meine Frau hat ja bald auch noch Geburtstag …
Ihnen auch eine Frohe und Gesegnete Weihnacht.
Ulrich D.