„Lachen Sie jetzt, morgen gibt es nichts mehr zu lachen“ – Jan-Uwe Rogge in Schwarzenberg

» Am Freitag, den 7. Oktober 2011, war der Familienberater und Bestsellerautor Jan-Uwe Rogge in Schwarzenberg und sprach zum Thema „Wenn Kinder trotzen“. «

Gestern Chemnitz, heute Schwarzenberg, über­morgen Bad Ischl – Jan-Uwe Rogge hält rund 100 Vorträge im Jahr. Die Nachfrage ist groß, sodass die Veranstalter beizeiten bei ihm anfragen müssen, etwa ein Jahr im Voraus. Antje Stock, Schreikinder- und Familienberaterin aus Schwarzenberg, hatte sich 2010 mit ihm in Verbindung gesetzt, und vergan­genen Freitag stand Jan-Uwe Rogge nun in der Aula des Schwarzenberger Bertolt-Brecht-Gymnasiums auf der kleinen Bühne. Rund 180 Zuhörerinnen erlebten keinen trockenen, theo­re­ti­schen Vortrag, sondern eine 90-minü­tige Vorführung, fast eine kleine Show.

Mit Mimik und Stimmvariation nahm Rogge die Rollen der wütenden bis hilf­losen Eltern und des trot­zenden Kindes ein. Im Publikum saßen Mütter, Großmütter, Hebammen, Grund- und Mittelschullehrerinnen, Kindergärtnerinnen – und eine Hand voll Männer. Für Veranstaltungen über das Trotzalter würden sich eher Frauen inter­es­sieren, meinte Rogge. Seit reich­lich 35 Jahren arbeitet er als Familien- und Kommunikationsberater, bietet Vorträge und Seminare zu Themen wie Pubertät, Aggressionen im Kindes- und Jugendalter, Werte und Erziehung an.

Kinder sind keine Maschinen …

Antje Stock eröff­nete den Abend mit einer Bemerkung, die nicht wenige im Publikum mit einem beifäl­ligen Nicken bestä­tigten: „Das Leben mit Kindern ist schön, es kann einen aber auch an die eigenen Grenzen bringen.“ Jan-Uwe Rogge lieferte dazu im Laufe seines Vortrags etliche Szenen, die Eltern nur zu gut kennen: Die Tochter soll in den Kindergarten und trödelt, bis der Vater die Nerven verliert (oder kurz davor steht). Der Sohn weigert sich, die Zähne zu putzen, die Tochter will sich nicht die Haare waschen lassen … Kinder können bekannt­lich sehr eigen­sinnig und stur sein. Und das muss laut Rogge auch so sein: „Das Trotzen ist eine Entwicklungsphase und keine Unart des Kindes. Es probiert seine Unabhängigkeit aus. Die beiden wich­tigsten Wörter in dieser Phase sind Ich und Nein.“ Eltern hätten jedoch oft die Angewohnheit, „Wir“ zu sagen, seien wahre „Wiromanen“: „Wir müssen jetzt schnell in den Kindergarten“, „Wir kommen noch zu spät“ usw. Kinder im Trotzalter würden dieses „Wir“ jedoch nicht verstehen, sie seien auf „Ich“ program­miert. Achten Sie doch mal drauf, sagen Sie öfter „Wir“?

Das Haupttrotzalter liege zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensjahr, die Hymne dieser Zeit sei „Hänschen klein“. So wie Hänschen in die weite Welt hinaus­geht und zum Hans wird, müssen Eltern akzep­tieren und damit umgehen, dass ihr Kind seinen eigenen Kopf hat und sich auspro­bieren will. Eltern mit Kindern in der Trotzphase bräuchten in dieser Zeit vor allem Geduld und Gelassenheit, so Rogge. „Bei einem Trotzanfall sollen die Eltern beim Kind bleiben, ihm zeigen, dass sie da sind. Und: die Klappe halten!“ Was Jan-Uwe Rogge vortrug, kam leicht und äußerst unter­haltsam daher, hatte dabei Hand und Fuß. Er hat über Kindermedien promo­viert und war Leiter zahl­rei­cher Forschungsprojekte zu den Themen Familie und Kindheit. Feldforschung betreibt er jeder­zeit, so erzählte er von seinen Beobachtungen am Vortag in einem Café in Chemnitz, zwei Mütter mit Kindern im besten Entdeckungsalter, Rogge habe sich selbst gesagt: „Jan-Uwe, du musst bleiben.“ Natürlich im Dienste der Wissenschaft …

Trotz sei nicht nur ein wich­tiges Mittel, um Grenzen auszu­loten und eine eigene Persönlichkeit zu entwi­ckeln; mit Trotzanfällen bauen Kinder auch Stress ab. Kinder würden zuneh­mend rund um die Uhr unter Beobachtung stehen und ständig vergli­chen werden, was kann er, was macht sie, hier ein Kurs, dort ein Kurs – Stress! Und schwierig sei auch, dass Kinder heute im Durchschnitt um die 5 cm größer seien als noch vor 60 Jahren. Größere Kinder, frühere Trotzphase, frühere Pubertät – oft wären die Kinder schon ziem­lich groß, doch emotional noch nicht so weit, Erwachsene würden das aber von ihnen erwarten, Stichwort „kleine Erwachsene“. Und wenn sich der Stress ordent­lich ange­staut habe, könne es dann eben zu Trotzanfällen kommen, mit deren Hilfe die Balance wieder­her­ge­stellt werde.

Zu unter­scheiden sei zwischen Trotz- und Wutanfällen. Erstere kämen aus den Nichts, die Erwachsene sollten dann dableiben, sich aber zurück­halten, der Trotz sei nicht gegen eine Person gerichtet. „Dem Kind gehts scheiße“, meinte Rogge dazu. Wut sei ziel­ge­richtet gegen eine Person … Aber um Wut und Aggression ging es an diesem Abend nicht.

Den Eltern und Erziehern rät Rogge, ruhig zu bleiben und kreativ zu sein, sich auch auf das Kind einzu­lassen, es in seiner Einzigartigkeit zu akzep­tieren. Und wenn es mal zu viel wird, könne man sich immer noch sagen: „Ich bin toll, auch wenn ich durchdrehe!“

Es gab viel zu lachen bei diesem Vortrag und netter­weise keine Dogmen zu schlu­cken, wie sie in manchen Erziehungsratgebern unter die Leute gebracht werden. „Die schlimmsten Eltern sind solche, die nicht lachen“, meinte Rogge, und damit hat er wahr­schein­lich recht. Es soll schon so manchem geholfen haben, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und auch mal zu lachen statt sich immer mehr in eine Sache zu verbeißen …